Alternative Möglichkeiten zur Ahndung von Jugendstraftaten

Veröffentlicht auf von Rechtsanwalt Birkenbach

Jugendliche, die straffällig werden, erhalten gegenüber erwachsenen Straftätern eine Sonderbehandlung. Für sie gelten andere Strafrahmen und es gibt vielfältigere Möglichkeiten, ihre Delinquenz zu ahnden. Der Grund für diese Sonderbehandlung von Jugendlichen liegt darin, dass der deutsche Gesetzgeber (zu Recht) davon ausgeht, dass bei Jugendlichen die Persönlichtkeitsbildung noch nicht abgeschlossen ist und dass der Staat die Möglichkeit hat, erzieherisch auf den jungen Straftäter einzuwirken. Dieser Erziehungsgedanke steht im Vordergrund bei allen strafrechtlichen Sanktionen gegen Jugendliche. Dieses Modell hat sich seit vielen Jahren bewährt und sollte nicht leichtfertig über Bord geworfen werden. Anstatt höhere Strafen und Erziehungscamps zu fordern, sollte man sich vielmehr darauf konzentrieren, die vorhandenen Instrumente effektiver auszunutzen. 
Jeder Erziehungswissenschaftler wird mir Recht geben, wenn ich statuiere, dass Jugendliche vor allem Grenzen brauchen und dass eine Grenzüberschreitung zu einer Konsequenz führen muss, die für den Jugendlichen in irgendeiner Form spürbar ist. Der Grenzübertritt sollte dabei möglichst zeitnah geahndet werden. 
In meinem Arbeitsalltag muss ich feststellen, dass in Jugendstrafverfahren in aller Regel acht bis zehn Monate zwischen der Tat und der Gerichtsverhandlung liegen. Von einer zeitnahen Ahndung kann damit wohl kaum noch die Rede sein. Eine erzieherische Wirkung wird durch eine Strafe, die fast ein Jahr nach dem Grenzübertritt erfolgt, kaum noch zu erreichen sein. Die logische Konsequenz daraus ist, dass es zu weiteren Grenzübertritten durch den Jugendlichen kommen wird. Auch eine Strafandrohung von 15 Jahren wird einen Jugendlichen, dessen Fehlverhalten nicht schnell sanktioniert wird, nicht von der Begehung neuer Straftaten abhalten. Viel effektiver als neue Gesetze wäre es also, den Erziehungsgedanken, der das Jugendstrafrecht prägt und der dem Gesetzgeber vor vielen Jahren vorschwebte, konsequent umzusetzen. Nicht schwerere, sondern schnellere Sanktionierung wird dazu führen, dass Jugendliche auf den rechten Weg zurückfinden.

Es gibt auch heute bereits erfolgreiche Eingliederungsmaßnahmen, Therapieangebote und Verhaltenstrainings für straffällige Jugendliche in  allen denkbaren Bereichen, die eine wertvolle und effektive Erziehungsarbeit leisten. Leider wurden aber von den Landesregierungen in den letzten Jahren die Mittel für solche Maßnahmen immer mehr gekürzt, so dass immer weniger Jugendliche in den Genuss solcher Maßnahmen kommen. Häufig kommt nur das einfache Wegsperren ins Gefängnis ohne - oder mit nur unzureichender Betreuung - in Betracht, weil die Mittel fehlen, die Straftäter in sinnvolle Maßnahmen zu integrieren. 

Es ist aber natürlich viel kostengünstiger, in einem neuen Gesetz die Höchststrafe von 10 auf 15 Jahre anzuheben, als die personelle Ausstattung der Justiz zu verbessern, was zu schnelleren Verfahren führen würde, oder als vorhandene und erprobte Erziehungs- und Beratungsangebote auszuweiten. Fehlende Finanzmittel müssen straffällige Jugendliche in Zukunft damit bezahlen, dass ihnen jegliche Zukunftsperspektive genommen wird. Neulich las ich folgenden Satz, den sich vielleicht manch ein Politiker einmal durch den Kopf gehen lassen sollte: "Der Grad der Zivilisation einer Gesellschaft lässt sich am Umgang mit ihren Straftätern messen".  

Ihr Björn Birkenbach

Veröffentlicht in Strafrecht

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M
<br /> Natürlich glaube ich nicht, das amerikanische Modell, das am besten ist<br /> <br /> Grüße<br /> Marquez lawyers<br /> <br /> <br />
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B
Das globale Vorbild USA hat uns schon vor Jahren vorgemacht wie die erwachsenen Entscheidungsträger dort mit straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen umgehen. Erstens, sie werden als kleine Erwachsene betrachtet und zweitens ihrer Menschenwürde beraubt. In diesem Zusammenhang mag ich an den damaligen Fall erinnern, als ein achtjähriger (!) Schweizer Junge wegen Doktorspielchen an einem jüngeren amerikanischem Mädchen wochenlang zusammen mit Schwerverbrechern eingesperrt war. Wer kann sich vorstellen, was in diesem Kind vorgegangen sein muß? Spätfolgen?
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