Erziehungscamps für Jugendliche!?
Seit Tagen wandert es durch die Presse: Politiker fordern die Einrichtung von sog. Erziehungs- oder Bootcamps in Deutschland, um der vermeintlich steigenden Jugendkriminalität Einhalt zu gebieten.
Nun ist in einigen Ländern auch Wahlkampfzeit und da darf man nicht alles so ernst nehmen, was Politiker von sich geben, aber einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema bedarf es vielleicht doch. Ziel dieser Maßnahmen soll es wohl sein, mehrfach oder intensiv gewalttätig gewordene Jugendliche zu erziehen.
Man muss in diesem Zusammenhang zunächst berücksichtigen, dass uns möglicherweise durch die vermehrte Berichterstattung über das Thema Jugendgewalt in den vergangenen Monaten, gerade auch in den privaten Fernsehsendern, möglicherweise nur suggeriert wird, es gäbe mehr Gewalttaten als früher. Denn nach allen mir bekannten Statistiken geht die Jugendkriminalität im Gewaltbereich seit Jahren ganz erheblich zurück. Es müsste also zunächst einmal die Frage beantwortet werden, warum denn trotzdem gerade jetzt solche Erziehungscamps eingerichtet werden sollen? Mir ist, ehrlich gesagt, die Notwendigkeit nicht klar. Da es sich aber um einen Eingriff in die Menschenrechte der Betroffenen handelt, der weit über die Menschenrechtseingriffe hinausgeht, die schon bei einer Inhaftierung erfolgen, muss man schon eine besonders gute Begründung für solche Maßmahnem finden. Wer also auch immer nach Bootcamps ruft, sollte sich zunächst einmal mit der Frage des Warum beschäftigen.
Eine Gesellschaft, die glaubt, staatliche Erziehungscamps zu brauchen, muss sich natürlich auch fragen lassen, was sie denn getan hat, dass es so weit kommen konnte. Und hier liegt eigentlich für mich der entscheidende Ansatzpunkt: Nicht eine schwerere Bestrafung derjenigen, die straffällig geworden sind, sondern ein brauchbares Auffangnetz der Gesellschaft im Vorfeld wird dazu führen, Straftaten zukünftig zu vermeiden. Wenn es heißt, dass gerade ausländische Jugendliche extrem gewaltbereit sind, dann ist es erforderlich, mehr für die Integration von Ausländern zu tun und nicht vor deren sozialen Problemen die Augen zu verschließen und diejenigen, die durch das soziale Netz gefallen sind, härter zu bestrafen. Die Gesellschaft - und damit auch die Politiker, die sich gerade im Wahlkampf befinden - sollte sich dieser Verantwortung für die Jugend viel mehr bewusst werden und sie ernst nehmen. Es kann nicht angehen, dass nicht genügend Gelder bereit stehen, um Straftätern in der Haft eine Drogenberatung oder eine Sexualtherapie zukommen zu lassen, andererseits aber solche Maßnahmen für teures Geld ins Leben gerufen werden sollen, ohne dass hierfür ein nachvollziehbarer Grund besteht. Da entsteht doch schnell der Verdacht, dass es denjenigen, die am lautesten schreien, nicht um die Lösung des Problems, sondern allein um Wählerstimmen geht.
Jeder Jugendliche, der einen Ausbildungsplatz und eine Zukunftsperspektive hat, ist einer, der in der Regel nicht straffällig werden wird. Wo aber Zukunfstängste und Perspektivlosigkeit vorherrschen, wird auch der Drill eines Erziehungscamps eine erneute Straffälligkeit nicht verhindern. Wir brauchen keine populistischen, scheinbar einfachen Lösungen, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Ursachen von jugendlicher Gewalt. Straftaten lassen sich nicht durch Abschreckung verhindern, sondern dadurch, dass man im Vorfeld dafür Sorge trägt, dass jemand gar nicht erst straffällig wird.
Ihr Björn Birkenbach