Die Angst vor dem Pflichtverteidiger

Veröffentlicht auf von Rechtsanwalt Birkenbach

Manchmal kommt es vor, dass ich einem Beschuldigten als Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt werde. Oftmals sind diese Mandanten anfangs sehr skeptisch, weil nach weitverbreiteter Auffassung ein Pflichtverteidiger ein schlechterer Anwalt ist und nur im Sinne des Gerichtes verteidigt. Einige Mandanten bestätigen mir aus eigener, und unter Umständen leidvoller Erfahrung, dass es solche Anwaltskollegen auch tatsächlich gibt. Das Vorurteil gegenüber Pflichtverteidigern ist also offenbar nicht immer unberechtigt. 
Gleichwohl weiß ich, dass es auch viele Kollegen gibt, die Ihre Aufgabe als Verteidiger ernst nehmen und auch als Pflichtverteidiger sehr gute Arbeit leisten. 

Für einen Laien ist es grundsätzlich natürlich schwierig, herauszufinden, ob der beigeordnete Verteidiger zu der einen oder der anderen Kategorie zählt. Es gibt aber vielleicht einige Indizien, die es Ihnen ermöglichen können, die Situation ein bisschen einschätzen zu können: 

1. Wie lange dauert es, bis sich der Pflichtverteidiger bei Ihnen meldet? Lädt er Sie bereits innerhalb weniger Tage nach Beiordnung zu einer Besprechung ein, bzw. besucht er Sie in der JVA? Oder dauert es Wochen oder gar Monate, bis er sich bei Ihnen meldet? (Es soll sogar Kollegen geben, die die Vorbesprechung des Mandats erst am Tage der Verhandlung, 10 Min. vor Verhandlungsbeginn im Gerichtsflur machen.) 

2. Hat der Anwalt bei der Besprechung des Falles die Akte bereits durchgearbeitet? Hat er Kenntnis vom Verfahrensstand? Manche Kollegen sollen die Ermittlungsakten bei Pflichtverteidigungen lediglich grob überfliegen, ohne vertiefte Kenntnis zu haben. Dass sich so ein Prozess nicht gewinnen lässt, versteht sich von selbst. Aber Achtung: Wenn sich der Pflichtverteidiger unmittelbar nach der Beiordnung bei Ihnen meldet, hat er unter Umständen die Akte noch gar nicht einsehen können. Er wird dann aber in einem Folgetermin den Fall noch einmal mit Ihnen besprechen, nachdem er Akteneinsicht erhalten hat. 

3. Kümmert sich Ihr Verteidiger um Ihre Sorgen? Beantwortet er Ihre Fragen? Stellt er selbst Fragen? Bespricht er seine Strategie mit Ihnen? All dies spricht dafür, dass er seine Aufgabe ernstnimmt. 

4. Werden Sie hellhörig, wenn Ihnen Ihr Verteidiger sofort zu einem Geständnis rät, insbesondere, wenn die Sache noch gar nicht richtig besprochen wurde. Es gibt zwar viele Fälle, in denen ein Geständnis sinnvoll ist, allderdings sollte dies erst nach reiflicher Überlegung und Abwägung aller Vor- und Nachteile abgelegt werden. 

5. Handelt es sich bei Ihrem Pflichtverteidiger um einen Fachanwalt für Strafrecht, dann wird er Sie in der Regel auch anständig verteidigen. Allerdings gibt es auch viele junge Anwälte, die (noch) keinen Fachanwaltstitel haben, die Sie sehr gut verteidigen werden, weil sie sich von einer Pflichtverteidigung versprechen, einen neuen Mandanten dauerhaft gewinnen zu können. 

Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Ihr Pflichtverteidiger schlecht betreut, suchen Sie sich aktiv einen neuen Anwalt, der bereit ist, Sie zu vertreten. Wenn Sie kein Geld haben, ihn zu bezahlen, müssen Sie mit offenen Karten spielen und ihm mitteilen, dass er nur als Pflichtverteidiger bezahlt werden kann. Sie haben grundsätzlich das Recht, auch Ihren Pflichtverteidiger selbst zu wählen und zu bestimmen. Wenn Ihnen das Gericht aber bereits einen Verteidiger beigeordnet hat, müssen Sie nachvollziehbare Gründe dafür anführen, dass Sie nun einen neuen Pflichtverteidiger haben wollen. Der von Ihnen ausgewählte Anwalt wird Ihnen hierbei behilflich sein. 

Ihr Björn Birkenbach

Veröffentlicht in Strafrecht

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post